Julius Motteler

Es soll hier eines überragenden Mannes gedacht werden, welcher wesentlich zur Entwicklung der Idee einer Gerechtigkeit in der Gesellschaft beigetragen hat. Ursprünglich vom Gedankengut des Liberalismus befangen, führte seine Entwicklung unter dem Eindruck der katastrophalen Lage der Arbeiter in Crimmitschau und im Zusammenwirken mit August Bebel und Wilhelm Liebknecht über bürgerlich-demokratische Positionen schließlich zum Einsatz seines gesamten Lebens für die Besserung der Lage der arbeitenden Bevölkerung, insbesondere auch für die Rechte der Frauen, gegen die seinerzeit übliche Kinderarbeit.

Zu Ehren Julius Mottelers benannte Straßen in Deutschland:

Vor den ausführlichen Analen seines Lebens hier ein kurzer Überblick seines Schaffens:

Julius Motteler (zeitens der Verfolgung durch das "Sozialistengesetz" literarisch auch unter "F[riedrich]. Weißmann", "Moretti", "Brandter", "A. H. von Ihms" tätig) wurde am 18. 6. 1838 in Esslingen (Württemberg) als neuntes von zwölf Kindern der Fam. Motteler geboren.

Das Geburtshaus soll sich in der Küferstraße 12 befunden haben, er lebte 1846-56 im Haus Heugasse 15. Heute beides 73728 Esslingen (Stadtmitte).

1845-52 Pädagogium Esslingen.

06.7.1848 Tod des Vaters, 1856 Tod der Mutter.

bis 1856 Lehrling: Kaufmann, Tuch- und Buckskinweberei.

bis 1859 Buchhalter und Werkführer in Augsburg (Tuchgeschäft Kohn).

Sept 1859 Eintreffen in Crimmitschau.

01.10.1859-1867 Buchhalter und Disponent in der Vigonespinnerei Wolf & Kirsten, Crimmitschau, Werdauer Straße 6 (die erste Arbeitsstätte Julius Mottelers in Crimmitschau wurde, im Eigentum der zu 100 % stadteigenen Crimmitschauer Wohnungsgesellschaft stehend, im Jahre 2001 dem Erdboden gleich gemacht. Es mußte dazu aus der Denkmalsliste gestrichen werden, wozu die damalige Geschäftsführung die Voraussetzungen schuf. Der Stadtrat hat den Abbruchbeschluß gefasst.

1860 J. Motteler schließt sich dem liberalen "Nationalverein" in Crimmitschau an.

Am 29.1.1863 mit Ernst Stehfest erster Vertreter der Arbeiterinteressen in den Stadtrat Crimmitschau gewählt.

21.2.1863 Bekanntschaft mit August Bebel in Leipzig (zweieinhalb Jahre vor dem ersten Zusammentreffen von Bebel und Wilhelm Liebknecht im August 1865 !).

30.5.1863 Reden Dotzauers und Mottelers auf dem 1. Stiftungsfest des Volksvereines Zwickau.

01.9.1863 Arbeiterfortbildungsverein Crimmitschau gegründet. August Colditz, Julius Motteler. Vorträge im "Schwarzen Adler". 29.11.1864 erstes Stiftungsfest.

Mitglied der "Liederhalle" und der Fechtabteilung des Arbeiterturnvereines.

Sommer 1864 Mitarbeit bei Gründung des Bergknappenvereines Zwickau.

04.12.1864 Vertreter des Arbeiterfortbildungsvereines Crimmitschau auf Tagung der Vertreter von 13 Arbeiterbildungsvereinen in Chemnitz, welche die Gründung eines "Gauverbandes Sachsen" beschließen; Ministerium versagt Genehmigung, Vorhaben laufe dem Vereinsgesetz zuwider.

03.-5.9.1865 Dritter Vereinstag des Verbandes der Arbeitervereine in Stuttgart. Forderung nach allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen und nach Aufhebung jeglicher Schranken der Vereins- und Koalitionsfreiheit.

08.10.1865 Julius Motteler als Redner auf dem 2. Stiftungsfest des Zwickauer Arbeitervereines.

Ende 1866 wird Julius Motteler wegen seines Wahlkampfes für die Sächsische Volkspartei bei Wolf & Kirsten entlassen.

1863-1874 unbestrittener Führer der gesamten Crimmitschauer Arbeiterbewegung, führte Crimmitschau zum Vorbild und Bollwerk der dt. Sozialdemokratie. Half, rundum Konsumvereine, Arbeitervereine und Produktivgenossenschaften zu errichten.

19.8.1866 mit August Bebel, Wilhelm Liebknecht und Prof. Roßmäßler in Chemnitz Mitbegründer der sächsischen Volkspartei . Die örtlichen Gliederungen der sächsischen Volkspartei waren die "Volksvereine".

12.1.1867 Advokat Schraps und Julius Motteler Redner auf einer vom Gründungskomitee der Sächsischen Volkspartei veranstalteten Volksversammlung mit 800 Besuchern im Deutschen Haus zu Zwickau.

13.5.1867 Turnhalle Crimmitschau. Kundgebung mit dem Reichstagsabgeordneten R. Schraps. Motteler: "Die Gründung von Volksvereinen ist dringend notwendig, man möge sich an die Männer halten, die es ehrlich mit dem Volke gemeint haben ... Es wird die Geschichte zeigen, wenn die Saat einst aufersteht, ob der Weg nach Hohenzollern, oder über Hohenzollern geht."

1867: 4. Vereinstag des Verbandes deutscher Arbeitervereine zu Gera. Motteler und Hochberger referieren über den neuen Statutenentwurf. Bebel wird Präsident, Leipzig Vorort, die Führung geht (aus bislang bürgerlichem Schlepptau) an die Arbeitervertreter über.

16.6.1867 Gründung des VOLKSVEREINES in Crimmitschau. Motteler stv. Schriftführer.

08.7.1867 Gründung der "Spinn= und Webgenossenschaft Ernst Stehfest & Co." in Crimmitschau, J. Motteler Prokurist.

Meister'scher Saal in Crimmitschau: Die (am 31.8.) neu gewählten Reichstagsabgeordneten Reinhold Schraps (Wahlkreis Zwickau=Crimmitschau), Wilhelm Liebknecht (WK Stollberg) und August Bebel (WK Glauchau-Meerane), sowie Julius Motteler sprechen vor 600 Menschen.

29.5.1868 Versammlung der Lassalleaner in Meerane. U.a. von Motteler, Stolle, ... "trockengelegt".

18.10.1868 (5.) Stiftungsfest des Arbeiterfortbildungsvereines von 1863. Jahresbericht durch Julius Motteler.

08.11.1868 Das erste STIFTUNGSFEST des Volksvereines. Mit August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Julius Motteler, Wilhelm Stolle, Hermann Dotzauer

05.12.1868 Julius Motteler spricht in einer öffentlichen Versammlung des Volksvereines Zwickau im dortigen Deutschen Haus über Gewerksgenossenschaften.

28.1.1869 Versammlung des Volksvereines Crimmitschau. Vorträge Julius Mottelers und Wilhelm Stolles über Gewerksgenossenschaften. Beschluß, Listen für Interessenten an einer Gründung (vgl. 10.2.1869) auszulegen.

10.2.1869 für Crimmitschau gegründet: Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur=, Fabrik= und Handarbeiter beiderlei Geschlechts.

28.2.1869 Rede Mottelers beim Stiftungsfest des Arbeiter-Fortbildungsvereines Glauchau: Ueber die Frauen und ihre Stellung im Hause und in der Oeffentlichkeit.

27.3.1869 Delegierter des 1. Verbandstages sächsischer Konsumvereine in Chemnitz.

10.4.1869 Aufruf, sich zwecks Gründung einer deutschlandweiten Gewerksgenossenschaft an Julius Motteler in Crimmitschau zu wenden.

Anfang 1869 Gründungsvorbereitungen der Gewerksgenossenschaft der Bergarbeiter, vom Zwickauer Volksverein eingeleitet. Julius Motteler, der Vorsitzende der Internationalen Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik-, und Handarbeiter, wurde beauftragt, deren Bildung zügig weiterzuführen.

Mai-Juli 1869 Bergarbeiterversammlungen zur Vorbereitung der Gründung der Gewerksgenossenschaft der Bergarbeiter, ... in Brand, Cainsdorf, Marienthal, Lichtentanne, Stenn, Steinpleis, Schönfels, Zwickau, Schedewitz, Neudörfel, Ober- u. Niederplanitz, Bockwa, Vielau, Friedrichsgrün, Reinsdorf, Wildenfels, Haßlau, Wilkau und Silberstraße. Es sprachen u. a. Hermann Dotzauer, Wilhelm Jungnickel, Johann Dinter, Wilhelm Stolle, Julius Motteler.

15., 16. und 17. 5.1869 (Pfingsten) Leipzig, Lokal des Arbeiterbildungsvereines, Gründungsversammlung der Internationalen Gewerksgenossenschaft, Motteler mit 14:2 Stimmen zum Präsident gewählt. Aus politischen Gründen Esslingen zum offiziellen Sitz bestimmt. Sitz der Organisationsleitung Crimmitschau ("Vorort", =leitender Ort, Zentralsitz), Presseorgan: "Demokratisches Wochenblatt", Leipzig. (Erstmals) Forderung nach gleichem Lohn bei gleicher Leistung ohne Unterschied des Geschlechtes. Gleichberechtigung der Frauen in den Beschlüssen ausdrücklich festgehalten. Entwicklung unter Mottelers Leitung zur fortschrittlichsten und größten Gewerkschaft in Deutschland. Im Gefolge des "Sozialistengesetzes" am 10.12.1878 aufgelöst. Die Gewerksgenossenschaft ist einer der Vorläufer des Deutschen Textilarbeiter-Verbandes.

18.7.1869 Meisterhaus Mülsen St. Niclas: Nach Motteler-Rede lokale Gewerksgenossenschaft für Mülsen gegründet.

28.7.1869 Stiftungsfest in Glauchau. J. Motteler verlangt die volle soziale und staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Frauen.

7., 8. und 9.8.1869 in Eisenach Gründung der SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei). Julius Motteler ist Mitglied des 8-köpfigen Büro des Kongresses, einer der 4 Schriftführer. Geistiger und organisatorischen Wegbereiter der Eisenacher Partei, Mitunterzeichner der Einladung. Gewerkschafter stellen über ein Drittel der Delegierten. Forderungen: allgemeines Wahlrecht, Volkswehr, Vereins-, Versammlungs- und Pressefreiheit, Trennung der Schule von der Kirche und der Kirche vom Staat. Das "Demokratische Wochenblatt" durch Beschluß in "Volksstaat" umbenannt. Organ der Partei und der Internationalen Gewerksgenossenschaften.

18.9.1869 Apollosaal Chemnitz: Bebel und Motteler Redner vor 3000 Arbeitern.

24.10.1869 zweites STIFTUNGSFEST des Volksvereines im Schwarzen Adler, Festrede August Bebel, durch Ansprachen von Ernst Stehfest, Julius Motteler u.a. ergänzt.

19.11.1869 Versammlung der Internationalen Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter im Odeum Crimmitschau. Julius Motteler spricht über die Kinderarbeit und deren Berücksichtigung in der norddeutschen Gewerbeordnung.

24.2.1870 Eröffnung einer Crimmitschauer Filiale der Kanzlei des Advokaten Reinhold Schraps, Reichstagsabgeordneter des Wahlkreises Zwickau-Crimmitschau. Er war am Ort hauptsächlich für Landleute tätig. Motteler versprach sich davon Stimmen dieser bei den nächsten Reichstagswahlen.

05.4.1870 Deutsches Haus zu Zwickau: Arbeiterversammlung zu den Gewerksgenossenschaften. Motteler und Stolle aus Crimmitschau als Referenten. Wilhelm Stolle spricht über das Entstehen der Genossenschaften. Motteler erläutert Wesen und Zweck derselben (Gründung von Alters- u. Versorgungskassen, Unterstützung im Falle unverschuldeter Arbeitslosigkeit).

07.4.1870 Anzeichen, daß Reinhold Schraps die Eisennacher Linie verlassen könnte. Erste Vorschläge, Julius Motteler möge künftig an dessen Stelle für den Reichstag kandidieren.

16.-19.4.1870 Delegierter des 2. Verbandstages sächsischer Konsumvereine in Chemnitz. 26.6.1870 erste Probenummer des "Crimmitschauer Bürger- u. Bauernfreundes, Organ des gesamten Osterlandes. Weitere Probenummern am 03., 10., 17., und 31 Juli 1870. Am 04.8.1870 erscheint, obwohl der deutsch-französische Krieg am 19.7.1870 ausgebrochen war, die erste ordentliche Nummer des Bürger- und Bauernfreundes. Es handelte sich um die erste sozialdemokratische Tageszeitung Deutschlands.

Zur Herausgabe des Crimmitschauer Bürger und Bauernfreundes gründete Julius Motteler gemeinsam mit dem Gärtner Wilhelm Stolle und dem Buchdrucker Friedrich August Junghahn als persönlich haftende Gesellschafter und weiteren 12 Komanditisten die "Komanditgesellschaft Junghahn, Stolle und Comp.", am 12.10.1870 beim Amtsgericht angemeldet (vgl. "Genossenschaftsdruckerei").

In der ersten Probenummer verkündete Julius Motteler das Programm und die Aufgabe der Zeitung. Da dies andersherum auch die Vorstellungen und Einsichten des hier gewürdigten Autors offenbart, hier ein Auszug:

"Ein Bürger- und Bauernfreund soll unser Blatt sein und vor allem ein Ratgeber und Ermahner zur Eintracht dieser Elemente, die mit tausendfacher Abzweigung und Verschmelzung in ihrem Erwerbs- und Verbrauchsleben den großen schlichten Rahmen darstellen, der das gesamte arbeitende Volk umfaßt ... Seine Ehrenaufgabe ist und bleibt alle Zeit, der Wahrheit und dem Recht das Wort zu reden ... So klopft denn der Bürger- und Bauernfreund an bei hoch und niedrig im Unterlande ... Überall wird er einstehen für das unbeschränkte Selbstbestimmungsrecht des Volkes auf allen Gebieten des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens.

Seine Freunde werden ihn immer wach, seine Feinde kampfbereit finden: denn es gilt jetzt, dem Volke bar und klar die Gegensätze darzulegen, um die es sich bei der gänzlichen Ohnmacht aller politischen Mittelparteien handelt, die Gegensätze, ob Herrenstaat oder Volksstaat.

Im Entscheid dieser Frage liegt unser Leben und Schicksal vergraben, und darum kämpfen wir ! Wie viele Kämpfer auch fallen, der Sieg kann unserer Sache nicht fehlen."

09., 10. und 11.7.1870 erster Kongreß ("Generalversammlung") der Gewerksgenossenschaft im Schwarzen Adler in Crimmitschau. Motteler erneut zum Vorsitzenden gewählt.

Die Gewerksgenossenschaft ist bereits auf 6-7000 Mitglieder aus 53 Orten Deutschlands und der Schweiz angewachsen. Darunter 1000 Arbeiterinnen. Ein Beitrag zur Herausbildung der späteren Frauenbewegung.

Julius Motteler wendet sich ausdrücklich gegen den an manchen Orten üblichen Ausschluß der Frauen aus den (der Gewerksgenossenschaft angeschlossenen) Versorgungskassen.

29.7.1870 bis 02.8.1878 Ehe mit Emilie Henriette Kyber aus Crimmitschau. Späterhin mit Emilie Schwarze aus Eßlingen verheiratet.

26.1.1871 Landesversammlung der SDAP in Zwickau: Auftrag an Crimm. Sozialdemokraten zur Bildung eines Zentralkomitees für die Reichstagswahlen in Sachsen: Comite=Motteler, Schraps, Vahlteich (damals Redakteur des Bürger u. Bauernfreundes). Alle Einladungen zu Wahlversammlungen waren später mit "Das Comite'" unterzeichnet.

26.2.1871 Motteler und RA Schraps sprechen in Schneeberg-Neustädtel (Wahlkampf für den inhaftierten Liebknecht).

28.-30.5.1871 Erster deutscher Webertag in Glauchau.

12.-15.8.1871 Dresden: 2. Kongreß der SDAP. Motteler im 6-köpfigen Büro, einer der vier Schriftführer.

1872 die zweite Generalversammlung der Gewerksgenossenschaft wird in Meerane verboten, im Ausweichort Hof von der Polizei verhindert.

27.1.1872 Vortrag im Odeum (Crimmitschau): "Über die Kinderarbeit in den Fabriken". Als Broschüre erschienen.

15.-17.6.1872 Gewerkschaftskongress in Erfurt. Motteler 1. Vorsitzender der Versammlung. Leipzig, Crimmitschau und Mainz als Zentralsitz vorgeschlagen. Julius Motteler namens Crimmitschaus: Leipzig wählen (um eine Überlastung Crimmitschaus zu vermeiden).

7.-11.9.1872 Mainz: 3. Kongreß der SDAP. Motteler zum 1. Vorsitzenden des Kongresses gewählt. Erläutert am 8.9. in einer großen Volksversammlung die Politik der Partei.

25.-27.12.1872 Dritte Generalversammlung der Gewerksgenossenschaft in Weimar.

6.4.1873 Motteler Redner in Mülsen St. Niclas.

23.-27.8.1873 Motteler leitet als 2. Vorsitzender den 5. Congress der Sozialdemokratischen Arbeiterparei SDAP in Eisenach.

1.9.1873 Das 8-köpfige "Comitee des Volksvereines", darunter Motteler, vs Kriegsverherrlichung in "Sedanfeiern".

Am 10.1.1874 anstelle von RA Schraps, der den konsequenten Weg der Eisenacher nicht mitgehen wollte, zum Reichstagsabgeordneten (SDAP) des 18. sächs. Reichstagswahlkreises (Zwickau=Crimmitschau) gewählt (mit 8941 [zu 7531] Stimmen).

Als Reichstagsabgeordneter Vorkämpfer gegen den Militarismus der damaligen Zeit, für demokratische und soziale Rechte.

20.4.1874 Richtungsweisende Reichstagsrede Mottelers zu den Konsequenzen des 1870/71 entstandenen "großpreußisch-kleindeutschen" Reiches. Hatten die Eisennacher stets versucht, die nationale Einheit Deutschlands einschließlich Österreichs in Form einer Republik zu erreichen, stellten sie sich nun auf die Realität ein: "Wir sind Gegner des Reiches, insofern das Reich bestimmte Einrichtungen repräsentiert, unter denen wir uns gedrückt fühlen, wir leiden; wir sind aber nicht Gegner des Reiches als eines solchen, als eines nationalen, als eines staatlichen Ganzen, sondern wir sind Gegner jener Einrichtungen im Reich, die uns am meisten beschweren, die uns am gewaltigsten drücken. Nun, meine Herren, eine solche Institution ist obenan der Militarismus ...

18.-21.7.1874 Motteler in Coburg auf 6. Congreß der sozial-demokratischen Arbeiterpartei für die Herausgabe von Jugendschriften. Änderungsantrag Mottelers zu Programm von Eisenach: Statt der lassalleanischen "Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe" Genossenschaften für Ackerbau und Industrie. War zum 2. Vors. des Parteitages gewählt. Charakterisierte die Gegner der SDAP: "...die sich in der Regel nicht dazu verstehen, einen Kampf der Prinzipien gegen uns zu kämpfen, sondern es vorziehen, sich der Waffen der Vergewaltigung und Entstellung gegen uns zu bedienen"

22./23.9.1874 Zusammentreffen mit Karl und Eleonor Marx in Leipzig (Hotel Hochstein).

1874 Leiter der sozialdemokratischen "Volksstaats"=Druckerei, Expedition und Buchhandlung in Leipzig.

2.11.1874 Teilnehmer der ersten offiziellen Beratungen über die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien (SDAP/"Eisenacher", ADAV/"Lassalleaner") in Berlin.

15.12.1874 Zweite offizielle Beratung. Progammkommission aus je 9 Vertretern beider Parteien in Berlin. SDAP: Liebknecht, Motteler, Vahlteich, Geib, Auer, Bernstein, Bock, Ramm und J. Schmidt.

15.12.1874 abends in Berlin: Erste Massenkundgebung für die Vereinigung. Es sprechen Hasenclever, Liebknecht, Hasselmann, Geib, Motteler, Vahlteich und Reimer für "eine redliche und ohne Überstürzung anzubahnende Einigung".

14.+15.2.1875 Je 9 Vertreter der Eisennacher, darunter Motteler, und der Lassalleaner bilden die Programmkommisssion. Aus beiden stark abweichenden Entwürfen wurde ein Programm geschmiedet.

22.5.1875 Gotha. SDAP und ADAV vereinigen sich zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Julius Motteler einer der Gründer. Ab 1890 (Parteitag in Halle) unter dem Namen "SPD".

14.12.1875 Reichstagsrede gegen die Verschärfung der politischen Strafgesetze und den Abbau der Demokratie.

03.2.1876 Reichstagsrede zur Einführung gesetzlicher Krankenkassen.

3.12.1876 Motteler auf Wahlversammlung in Mosel. Undemokratische Redeordnung im Reichstag angeprangert.

4.12.1876 Motteler auf Wahlversammlung in Gablenz. Am 5. in Wahlen, am 6. in Marienthal.

Am 10.1.1877 mit überwältigender Mehrheit zum Reichstagsabgeordneten (SAPD) des 18. sächs. Reichstagswahlkreises (Zwickau=Crimmitschau) wiedergewählt (mit 10971 [zu 6868] Stimmen).

Am 13.6.1877 erhält Motteler die Bürgerschaft der Stadt Leipzig und die sächsische Staatsbürgerschaft von der königlichen Kreishauptmannschaft zu Leipzig verliehen.

08.5.1878 Reichstagsrede gegen die Frauen- und Kinderarbeit. Ausführliche Begründung für ein Verbot der Kinderarbeit, die Begrenzung der Arbeitszeit der Kinder und Frauen auf 10 Std.

4.+5.6.1878 Reden Mottelers in großen öffentliche Versammlungen gegen Diffamierung der SAPD.

Nachdem bei den Wahlen am 30.7.1878 ("Attentatswahlen") der 18. sächs. Reichstagswahlkreis an den (gegnerischen) Zwickauer Bürgermeister Dr. Streit (11623:10135 Stimmen) gefallen war, gewann der am 19.12.1842 in Frankenhausen, heute Crimmitschau, geborene Carl Wilhelm Stolle bei den Wahlen vom 27.10.1881 (Julius Motteler befand sich in Zürich, vgl. unten) den Wahlkreis für die SPD zurück. Dabei blieb es (abzüglich einer dreijährigen Unterbrechung) bis zum Tode Wilhelm Stolles am 11.3.1918 .

29.9.1878 Motteler wird in Stuttgart wegen "Kaiserbeleidigung" verhaftet. Im Prozeß dann freigesprochen.

21.10.1878 "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" ("Sozialistengesetz"). Sofort beginnende Verfolgungsjagd gegen die Arbeiterbewegung und ihre Organisationen, ihre Presse, ihre Vereine. Innerhalb eines Jahres ließ Bismarck 127 periodische und 278 nichtperiodische Druckschriften verbieten.

Seit dem Freispruch im Stuttgarter Prozeß in Nymphenburg bei München wohnhaft.

Sommer 1879 seine Frau und sein kleiner Sohn erkranken an Typhus. Der Sohn stirbt.

20.11.1879 Julius Motteler übernimmt die geschäftliche Leitung des "Sozialdemokrat" und die gesamte Leitung der Expedition einschließlich des Grenzschmuggels und des Vertriebes in Deutschland . Die Zusage, dieses Amt zu übernehmen, macht eine Kandidatur für den Deutschen Reichstag unmöglich. Wie die Zukunft zeigte, handelte es sich beim Wahlkreis Zwickau=Crimmitschau um einen sicheren sozialdemokratischen Wahlkreis über die Jahre hinweg. August Bebel: "Damit hatten wir den richtigen Mann für den richtigen Posten gefunden. ...die verantwortungsvollste Stelle,... die die Partei gegenwärtig hat."

Clara Eißner (später Zetkin, *05.7.1857 in Wiederau/Sachs.+20.6.1933) arbeitete von September 1882 bis Januar 1883 in der Expedition unter Julius Motteler. Späterhin kam sie rückblickend zu der Überzeugung:

"Was Motteler für den ersten, schweren Aufbau und Ausbau der sozialdemokratischen Partei, was er für die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung geleistet, würde hinreichen, seinen Namen die Unvergessenheit zu sichern. Es tritt jedoch zurück hinter seinem illegalen Werk in den Jahren des Sozialistengesetzes... Als "Roter Feldpostmeister" hat Motteler Wertvollstes, Unvergeßliches geleistet. ...

Am 18.4.1888 beugt sich der Schweizer Bundesrat dem massiven politischen und wirtschaftlichen Druck der Bismarckschen Regierung und beschließt die Ausweisung von Motteler, Bernstein, Tauscher und Schlüter.

5.5.1888 Cassino Hottingen (Zürich): Abschiedsfeier der Schweizer Arbeiterbewegung für die Ausgewiesenen.

16.5.1888 Paris: Danksagung der Ausgewiesenen für die Beweise der Freundschaft und Sympathie. Übersiedlung nach London, wo Julius Motteler die Geschäfte des in Deutschland illegalen "Sozialdemokrat" bis zum Fall des Sozialistengesetzes 1890 leitete.

27.9.1890 letzte Nummer -das "Sozialistengesetz" war gefallen- der Zeitung "Der Sozialdemokrat".

In Deutschland steckbrieflich verfolgt wegen Arbeit für den "Sozialdemokrat" bis 1901. (Daher notgedrungen) Arbeit für die SPD in London, u. a. für das Parteiarchiv.

Am 29.6.1901 zurück nach Leipzig, wo er zunächst in der Langen Straße 16 wohnte. Vorstandsmitglied der Buchdruckerei=Aktiengesellschaft.

Geschäftsführer der "Leipziger Volkszeitung", 1902 Franz Mehring als Chefredakteur gewonnen. /

Wohnung in Leipzig: Gabelsbergerstraße 1 in Reudnitz.

16.6.1903 Reichstagswahl. Die SPD stellt Julius Motteler im Wahlkreis Leipzig=Stadt auf, im ersten Wahlgang an erster Stelle mit 16140 Stimmen, vor Prof. Dr. Hasse, dem bisherigen Abgeordneten (Alldeutsche Partei) für Leipzig=Stadt.

Stichwahl: Dr. Hasse 16314, Julius Motteler 19839 Stimmen.

Jun.1903-Jan.1907 Reichstagsabgeordneter (SPD) des 12. sächs. Reichstagswahlkreises (Leipzig=Stadt).

Julius Motteler verstarb am 29.9.1907 in Leipzig.

Die Crimmitschauer Arbeiter ehrten Julius Motteler anläßlich des Begräbnisses in Leipzig mit einem Kranz mit der Aufschrift:
Ein Ruhe sanft unserem unvergeßlichen Freund und Lehrmeister

links: Grabstein Julius Mottelers auf dem Südfriedhof zu Leipzig.. Länge der Vergleichsperson: 182 cm. Aufnahme vom 9.6.2002, nachmittags. Die Inschrift weist nach Osten (gute Aufnahmen also nur vormittags möglich !). Das Grabmahl befindet sich, nach dem Bau des Völkerschlachtdenkmales um 1913, unweit des letzteren.

Die Inschrift des Grabsteines lautet:

In rastloser Arbeit
verzehrte sein Leben
Der Kampf für die Arbeiterklasse

Postkarte mit Bild der Grabstätte aus früheren Zeiten ansehen!

Nach August Bebel war Motteler nicht nur Geschäftsmann, er war auch ein geborener Dichter und eine Künstlernatur.

"Ein genialisch angelegter Mensch und ein angenehmer Gesellschafter, dem Witz und Humor zur Verfügung standen. ... Die Phantasie spielte allerdings in seinen Erzählungen eine große Rolle. Er sah die Welt stets anders als wir anderen, aber vergnüglich war es doch, ihm zuzuhören. Auch war er ein glänzender Redner, der die Hörer mit glänzenden Bildern hinzureißen wußte."

Nach Prof. Robert Seidel die "Seele der Bewegung".

GESUCHT WERDEN ANGABEN ZU VERSAMMLUNGEN, AN DENEN JULIUS MOTTELER BETEILIGT WAR. Termine von Auftritten auf Versammlungen, Kundgebungen, ... bitte per E-Mail an mich.

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Hier noch eine Reihe nützlicher Links:

Internationales Institut für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam (Teilnachlaß Julius Mottelers).

Übersicht, den in Amsterdam gelagerten Teilnachlaß betreffend.


Dagmar Weinberg zu Julius Motteler


Rede J. Mottelers Ueber die Frauen und ihre Stellung im Hause und in der Oeffentlichkeit vom 28.2.1869.
Mit besonderem Dank für die freundliche Bereitstellung an die Friedrich-Ebert-Stiftung zu Bonn:

Handschrift Julius Mottelers: Brief vom 5.7.1869 an August Bebel.

obiger Brief samt Rückseite.


Den Text des zum Abschluß der Trauerfeier für Julius Motteler am 02.10.1907 im Großen Saal des Volkshauses Leipzig gesungenen Liedes von Heinrich Pfeil "Ein Sohn des Volkes" finden Sie hier:

Text "Ein Sohn des Volkes will ich sein und bleiben"


Die website des Verfassers; unter "Literatur", ... weitere Angaben zu Julius Motteler enthaltend,

komplett ansehen !

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Auf vorgenannter site finden Sie auch das Impressum zur vorliegenden Darstellung. Darüberhinaus den disclaimer, das Literaturverzeichnis, Daten des Textilarbeiterstreikes, Streiklieder, ... .


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Nachlaß Julius Mottelers in Amsterdam ist [neu] inventarisiert und die Übersicht im Internet zugänglich !

Wie mir erst am 26.7.2006 bekannt wurde, sind die im Internationalen Institut für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam befindlichen Teile des Nachlasses von Julius Motteler inzwischen inventarisiert und zugänglich !

Einen Überblick kann man jetzt im Internet gewinnen: Übersicht, den Teilnachlaß in Amsterdam betreffend, ansehen !

Vor einem Besuch des IISG sollten Sie sich, um auch sicher zu gehen, das Gewünschte vorzufinden, möglichst frühzeitig bei Frau Mieke Ijzermans anmelden. 3,6 lfm. Archivmaterial zu Julius Motteler stehen dann bereit. Einen Termin vereinbaren Sie unkompliziert hier !

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